18.02.04

das land der unmoeglichen begrenzungen...

...ist ja schon etwas albern, was da in den staaten abgeht, scheinbar gibt es fuer die mannen auf der anderen seite des tuempels keine groesseren probleme als ein wenig nackte haut... schoen, was die faz dazu schrieb, ein paar der schoeneren ausschnitte (und hinten drann auch der ganze artikel als zitat aus der FA-sonntagszeitung vom 15.02.2004)) (ich brech echt zusammen:

"...die als "Nipplegate" in die Fernsehgeschichte eingegangen sind....

... Dabei könnte es kaum harmloser sein. Spears ist nahezu durchgehend bekleidet; die einzige Person, die sie küßt, ist noch nicht einmal eine Frau,...

... Aus Angst, sich ihre Bikinioberteile naß zu machen, hatten sie diese gar nicht erst angezogen, ...

...Amerika, das Land, das vor nichts auf der Welt zittert - vor Saddam Hussein nicht, vor Nordkorea nicht, vor bewaffneten Jugendlichen nicht -, außer vor entblößten weiblichen Brustwarzen, ...

...das Video, in dem Christina Aguilera so selbstvergessen tanzt, daß ihr Höschen (ja, die Verkleinerungsform ist angebracht) zu sehen ist...

... Was sollen Popsängerinnen anderes tun, als sexy herumzuhüpfen? Dafür gibt es schließlich Popsängerinnen. Wie es amerikanische Rapper gibt, um sich in den Schritt zu fassen. ...

... Aguilera trug eine Idee von einem Kleid, vorne klaffte es etwa einen halben Meter weit auseinander. ...

... Ozzy macht einen unkomischen Witz darüber, ob ein Fisch masturbiert oder nicht, aber niemand scheint ihn zu verstehen...

und so weiter usw....

(zitat aus der FA-sonntagszeitung vom 15.02.2004)

"Eine Nation in nackter Panik

16. Februar 2004 Für Amerikas Medien ist eine neue Zeitrechnung angebrochen: Die Super-Bowl-Show, die eine vorm Fernseher vereinte, nichtsahnende Nation mit der nackten Brust einer Sängerin konfrontierte, markiert einen Wendepunkt. Wohin, vermag noch niemand zu sagen. Eine Wertedebatte hat begonnen, der Ruf nach schärferen Gesetzen wird laut, die Medien üben sich in vorauseilendem Gehorsam: Aus Angst vor neuen Enthüllungen werden Großereignisse wie die Grammy- und die Oscar-Verleihung nur noch zeitversetzt übertragen. Die Welt verfolgt fasziniert, wie das mächtigste Land der Erde durch etwas nackte Haut in Erschütterung gerät. Aus verschiedenen Perspektiven versuchen wir zu zeigen, was jenseits des Ozeans gerade vor sich geht.


Anstandsregler

"Es geht doch wohl um Unanständigkeit", sagt die Person, deren Name ebenso ein Geheimnis bleiben muß wie ihr Geschlecht. Denn als Sprecher oder Sprecherin der Federal Communications Commission (FCC), also der amerikanischen Medienaufsichtsbehörde, hat die Washingtoner Person sich ausbedungen, nur Hintergrundinformation zu liefern. Selbst on background aber geht sie mit der Information so spärlich um, als hätte sie jemand nach der Adresse des Tiefbunkers von Vizepräsident Cheney gefragt.

In der Tat hat ja auch kein Thema die Nation in diesen letzten Tagen heftiger bewegt. Mehr als 200.000 Beschwerden gingen nach dem Footballspiel mit Brustentblößung bei der FCC ein. Worüber genau die Menschenmassen Klage führten? Eine schriftliche Anfrage, antwortet die Person, gestützt auf den Freedom of Information Act (FOIA), führe gewiß zum Ziel. In ein paar Monaten, ergänzt der Fragesteller ebenso frohgemut, wenn nicht in einigen wenigen Jahren. Immer vorausgesetzt, die Regierung schaltet nicht retardierend die Gerichtsbarkeit ein."Haben Sie noch andere Fragen?" will die Person wissen und vermag doch nur bekanntzugeben: "Ich bin kein/e Hellseher/in." Die Frage war, ob die entsprechenden Gesetze jetzt verschärft würden. In einem plötzlichen Anfall von Mitteilsamkeit verwies die Person immerhin auf das Statut im amerikanischen Bundesgesetzbuch, dem United States Code (USC), das im vorliegenden Fall zur Anwendung käme. In 18 USC 1464 lesen wir nämlich: "Wer eine obszöne, unanständige oder unziemliche Ausdrucksweise mittels Radiokommunikation benutzt, soll unter diesem Paragraphen zu einer Geldstrafe oder einer Gefängnisstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt werden, oder zu beidem." Geprüft wird nun, ob das Statut im vorliegenden Fall verletzt wurde. Mehr könne sie beim besten Willen nicht sagen, sagt die Person, weil ihre Behörde grundsätzlich keinen Kommentar zu schwebenden Verfahren abgebe. Zum Trost und Abschied rät sie, sofort den Fernseher einzuschalten.

Und siehe, dort sitzt der Chef der Person und der FCC, der Außenministersohn Michael K. Powell, vor einer Phalanx von Abgeordneten und sagt all das, was die Person nicht sagen zu dürfen meint. "Ich teile das Mißvergnügen und die Ermattung von Millionen von Amerikanern angesichts der Erosion der allgemeinen Anständigkeit im Fernsehen", empört sich Powell, ganz im Einklang mit den ihm lauschenden Abgeordneten, die eine Verzehnfachung der Geldstrafe schon für ein einziges unflätiges Wort auf 275.000 Dollar fordern und, wenn das nichts helfen sollte, mit dem Entzug der Sendelizenz drohen.

Das ging Mel Karmazin, dem Boß der Firma Viacom, die sich den Skandal von ihren Tochtergesellschaften CBS und MTV hat einbrocken lassen, zu weit. Erst einmal, gab er zu bedenken, sei der "Unanständigkeitsstandard" genau zu definieren. Kein unvernünftiger Vorschlag. Zum Beispiel befand die FCC, der Rockstar Bono habe sich einst bei der Verleihung der Golden Globes nicht der Unanständigkeit schuldig gemacht, obwohl er ein bekanntes Wort, das mit f anfängt, benutzte. Weil er das Wort nicht als Verb, sondern Adjektiv (gemeint wohl: Partizipialadjektiv) im Munde führte.

Powell nannte die Forderung nach klareren Definitionen ein Ablenkungsmanöver. Der Mann vom Fernsehen wiederum versprach, die Übertragung auch von Sendungen, die als live angekündigt sind, künftig um fünf Minuten zu verzögern und dem Zensor Zeit für seine Arbeit zu geben. Im Zweifelsfalle könnte er sich auf Potter Stewart berufen, einstmals Richter am Verfassungsgericht, der sich jeder Definition von Pornographie widersetzte und doch nicht verzagen wollte: "I know it when I see it." Powell jedenfalls hat keine Zweifel daran gelassen, daß er und seine Mitarbeiter künftig genauer hinschauen und auch hinhören.

Jordan Mejias

Sündenböcke

Nun hat die Hysterie das Kinderfernsehen erreicht: Aufgrund der jüngsten Vorkommnisse, die als "Nipplegate" in die Fernsehgeschichte eingegangen sind, darf das neueste Video von Britney Spears in den Vereinigten Staaten nicht mehr vor 22 Uhr gezeigt werden. Dabei könnte es kaum harmloser sein. Spears ist nahezu durchgehend bekleidet; die einzige Person, die sie küßt, ist noch nicht einmal eine Frau, sondern ganz klassisch, hollywoodlike, ein angezogener Mann; und die Botschaft der hanebüchenen Handlung, in der die Sängerin herausfindet, daß ihr Freund eine Affäre hat, weshalb sie ihn dann vergiften will, ist politisch korrekt: Betrügen ist doof.

Da hat es in Amerika in letzter Zeit doch ganz andere Musikvideos gegeben. Zum Beispiel "Fiesta" von R. Kelly und Jay Z (2002). Darin standen schöne junge Frauen mit gelangweiltem Gesichtsausdruck im Meer herum. Aus Angst, sich ihre Bikinioberteile naß zu machen, hatten sie diese gar nicht erst angezogen, weshalb sich die Verantwortlichen dazu veranlaßt sahen, von diesem Video zwei Versionen herauszugeben. Ein von nackten Busen dominiertes für den europäischen Markt; und ein zensiertes, in dem die Brustregion der Damen nur verschwommen zu sehen war, was ungleich obszöner wirkte.

Dann gab es ein Video der Gruppe N.E.R.D., "Lapdance", in dem Pharell Williams, Rapper und derzeit erfolgreichster Musikproduzent der Welt, nackten Frauen an die Brüste grapscht. Gesehen haben diesen Glanzpunkt in der Geschichte der Cinematographie allerdings wiederum nur Europäer; für Amerika, das Land, das vor nichts auf der Welt zittert - vor Saddam Hussein nicht, vor Nordkorea nicht, vor bewaffneten Jugendlichen nicht -, außer vor entblößten weiblichen Brustwarzen, wurde eine Version mit bekleideten Mädchen angefertigt.

Und es gab "Dirty", das Video, in dem Christina Aguilera so selbstvergessen tanzt, daß ihr Höschen (ja, die Verkleinerungsform ist angebracht) zu sehen ist: es ist rot. Rot wie die Gesichter der vielen Menschen, die sich im vergangenen Jahr über dieses Video aufgeregt haben. Warum eigentlich? Was sollen Popsängerinnen anderes tun, als sexy herumzuhüpfen? Dafür gibt es schließlich Popsängerinnen. Wie es amerikanische Rapper gibt, um sich in den Schritt zu fassen. Der Mensch ist ein sexuelles Wesen, er untergliedert sich in Männer und Frauen, warum sollten ausgerechnet Musikvideos aus dieser interessanten Tatsache keinen Profit schlagen? Natürlich, man könnte sich über das Frauenbild aufregen, das einem da oft präsentiert wird, aber nutzt ja nichts. Und außerdem ist es im Zweifelsfall immer noch besser und lustiger als alles, was uns das deutsche Fernsehen unter dem Titel "Boulevard" verkauft. Diese verlogene Entrüstung über Brustvergrößerungen, Intimpiercings oder Swingerclubs, die nur dazu dient, möglichst viel nackte Haut zu zeigen.

Eigentlich war das einzig wahrhaft Obszöne, das in letzter Zeit im amerikanischen Musikfernsehen lief, Christina Aguileras Auftritt bei den Grammys. Als sie den Preis entgegennahm, war die Welt noch, wie man sie kannte. Aguilera trug eine Idee von einem Kleid, vorne klaffte es etwa einen halben Meter weit auseinander. Was aber mußte das Publikum während ihres Auftritts sehen: Ihren Hit "Beautiful" trug sie in einem dunklen Anzug vor, darunter ein Hemd, hochgeschlossen, bis zuletzt behielt sie alles an. Ein denkwürdiger Auftritt. Könnte als "Suitgate" in die Geschichte des amerikanischen Musikfernsehens eingehen.

Johanna Adorjan

Wachhunde

Sie sind die Zuschauer, die jeder Sender sich wünschen müßte: aufmerksam, treu, zahlreich. Mehr als 850.000 Mitglieder hat der Parental Television Council (PTC), eine 1995 in Los Angeles gegründete private Organisation, deren Leidenschaft das Fernsehen ist. Allerdings, und daher sind die Sender doch nicht so glücklich über dieses Publikum, ein Fernsehen, das mit dem, was über Amerikas Bildschirme läuft, wenig zu tun hat. Das Ziel ist es, das Fernsehen "zu seinen Wurzeln als unabhängiges und gesellschaftlich verantwortungsbewußtes Medium" zurückzuführen.

Was der PTC verlauten läßt, findet Gehör. Er schmückt sich mit einem Beirat aus Fernsehgrößen, Unternehmern und Politikern, dem Leute wie Jane Seymour und Pat Boone angehören; Joe Lieberman, gescheiterter Präsidentschaftsanwärter der Demokraten, läßt sein Mandat gerade ruhen. Der PTC setzt auf intensive Feindbeobachtung und akribische Protokollführung. Schwerstarbeit leistet man etwa bei den "Osbournes", deren Eskapaden präzise dokumentiert werden: "Ozzy macht einen unkomischen Witz darüber, ob ein Fisch masturbiert oder nicht, aber niemand scheint ihn zu verstehen." Die traurige PTC-Bilanz der Folge vom 1. Juli 2003: neun Obszönitäten (bitch, ass, piss, douche bag, damn), 125 überpiepte Wörter (shit, fuck, einige nicht identifizierbare), ein ausgestreckter Mittelfinger.

Außerdem listet der PTC regelmäßig die zehn "besten" und zehn "schlimmsten" Sendungen des Hauptabendprogramms auf. Favorit ist zur Zeit "Touched by an Angel", eine Familienserie über vier Engel, die aus Erdenbürgern bessere Menschen machen. Gut plaziert auch die Teenie-Serie "Smallville" sowie "Star Search" - für den PTC eine "erfrischende Abwechslung von anderen Talentwettbewerben, die schlechtes Benehmen fördern". Am erschreckendsten findet der PTC die Krimi-Serie "C.S.I." (bei uns im Vox-Programm), die von verwesenden Körpern, gräßlichen Verbrechen und Themen wie Inzest und Sadomasochismus erzähle. Immerhin noch Platz neun der gefährlichsten Sendungen belegen die "Friends", die allesamt der Promiskuität frönten. Auch die "Simpsons" halten die Jugendwächter für fragwürdig, finden freilich Gefallen an der geduldigen, liebenden Mutter und Hausfrau Marge, einem anständigen "Rollenmodell".

In Sachen Super Bowl mobilisiert der PTC seine Anhänger dazu, Beschwerdebriefe an die FCC zu schicken. Beim Kampf gegen Schund und Schmutz scheut man nicht einmal davor zurück, diesen höchstpersönlich weiterzuverbreiten: Ein Videoband mit der Halbzeitshow kann man beim PTC bestellen.

Jörg Thomann

Profiteure

George Lipsitz, Professor für Ethnic Studies an der University of California in Santa Cruz, zählt zu den unkonventionellsten linken Intellektuellen Amerikas. Wir haben ihn um eine Einschätzung dessen gebeten, was seine Nation gerade bewegt.

"Es ist schon ein merkwürdiges Paradox, daß eine von der Zurschaustellung sexueller Reize durchdrungene Kultur angesichts der sekundenlangen Entblößung des größten Teils einer Brust von einer moralischen Panik erschüttert wird. Ich sehe verschiedene Dimensionen der Sache. Zum einen ist es eine schlichte Übung in konzerninterner Synergie, die als moralische Krise verkleidet wird. CBS, wo der Super Bowl sowie rund die Hälfte aller NFL-Spiele ausgestrahlt werden, und MTV, wo die Showeinlage produziert wurde, gehören zum selben Konzern, zu Viacom. Eine Kontroverse über die Show erzeugt eine Daueraufmerksamkeit für beide Sender und schürt schon jetzt Spannung auf künftige Halbzeitshows. Kurz, der Skandal vergrößert den Wert aller drei beteiligten Viacom-Subunternehmen.

Auch ein anderer Medienkonzern, Disney-ESPN, hat so etwas erfolgreich versucht, als der rechte Radiomoderator Rush Limbaugh als Sportkommentator für die Football-Übertragungen des Disney-Senders ABC verpflichtet wurde. Wie zu erwarten, hat Limbaugh sich gleich durch peinliche Äußerungen blamiert, etwa als er sagte, der Quarterback der Philadelphia Eagles, Donovan McNabb, sei nur deswegen auf dem Platz, weil die linksliberalen Medien unbedingt einen schwarzen Helden brauchten. Limbaugh wurde zwar gefeuert, aber dieser Rausschmiß vollzog sich unter so lautem Getöse, daß die Sache erhöhte Aufmerksamkeit für Disney, ABC und die Sportsendungen brachte.

Da nach allen Umfragen die Mehrheit der Amerikaner der Meinung ist, der Irakkrieg sei ein Fehler gewesen, und George Bush für nicht vertrauenswürdig hält, versucht die Bush-Regierung damit zu punkten, sich als Verteidiger traditioneller Werte darzustellen, als Gegner der Schwulenehe, von Drogen und außerehelichem Sex. Da hilft ihnen eine Debatte über die "Moral" einer Sendung mit nackter Brust mehr als Debatten über die Moral des Krieges, die Todesstrafe oder die obszöne Verteilung des Reichtums in der Gesellschaft.

Die gesamte kommerzielle amerikanische Kultur dreht sich, um mit Raymond Williams zu sprechen, um brutalen Wettbewerb und unpersönlichen Appetit, um die Faszination des Scheiterns und der Schwächen der anderen; etwas, das man Sadismus in der Suche nach einer Story nennen könnte. Michael Jacksons Pädophilieprozeß, die Hautfarbe der Jacksons und ihre enge Verbindung zu Produkten, die man kaufen und verkaufen kann (heutzutage für die Medien scheinbar die einzig bekannte Form sozialer Interaktion), macht aus allen Familienmitgliedern profitable Themen. Janet Jackson wollte vielleicht mit heftiger Medienaufmerksamkeit ihre Karriere befördern. Justin Timberlake gelang es, sein braves Boygroup-Image loszuwerden und auf behutsame Weise verwegen zu erscheinen, ohne die Risiken einzugehen, die etwa die Dixie Chicks und Shakira auf sich nahmen, als sie offen die amerikanische Politik kritisierten.""

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.02.2004, Nr. 7 / Seite 31
Bildmaterial: FAZ.NET, AP, Reuters, dpa/dpaweb

Posted by casila at 18.02.04 10:44
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